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Grußwort der Niedersächsischen Justizministerin Frau Heister-Neumann

- anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Vereins Ausgleich e.V. am 25.09.2006 im Landgericht Göttingen -

Ich freue mich, heute zum 10-jährigen Jubiläum des Vereins Ausgleich - und im Rahmen meines Grußwortes eine kurze eine Laudatio halten zu dürfen. Kurz deshalb, weil Winston Churchill einmal zu Recht meinte, dass eine gute Rede das Thema, nicht jedoch den Zuhörer erschöpfen solle. Ich will versuchen, diesen schmalen Grat nicht zu verlassen. Der Vorstand hat den heutigen Tag unter das Motto "Ohne Euch geht's nicht!" gestellt. Ich sehe das ganz genauso.

In Deutschland wird ja viel zu wenig gelobt. Im Vergleich zu unseren Nachbarländern habe ich da neulich Dramatisches gelesen: Wenn die Zahlen stimmen, sind 56% der Menschen bei uns der Ansicht, dass ihre Arbeit nicht wert geschätzt wird. In den Niederlanden etwa glauben das lediglich 11%. Sie, meine Damen und Herren, sollen nicht zu den 56% gehören! Das heutige Jubiläum gibt mir einen schönen Anlass, Ihnen zu danken, Ihr Engagement zu toben und Ihnen Wertschätzung für Ihre geleistete Arbeit auszudrücken.

Opferentschädigungsvereine, wie Ausgleich, leisten in unserem Land einen unschätzbaren Beitrag bei der großen Aufgabe der Opferhilfe und des Opferschutzes. Sie und all die anderen, hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bewährungshilfe, Jugendgerichtshilfe und Gerichtshilfe stehen mit Ihrem Engagement bei Ausgleich an der Seite der Opfer und beweisen mit ihrer Arbeit, was Gemeinsinn und Hilfsbereitschaft bedeuten.

Dabei sprechen schon die Zahlen für sich: Wurde in den Jahren 1997/1998 53 Straftäter gemeinnützige Arbeit vermittelt und konnten 70 Opfer entschädigt werden, so waren es 2003/2004 bereits 218 Vermittlungen von gemeinnütziger Arbeit und 212 entschädigte Opfer. Diese Zahlen zeigen, dass Sie Erfolg haben und Ihrem Namen Ehre machen. Opferschutz ist nicht nur eine Sache des Strafrechts. Wichtig für den Frieden in unserer Gesellschaft ist nicht allein die Bestrafung des Täters. Wichtig ist, dass Opfer einer Straftat nicht allein gelassen werden und wenn möglich Entschädigungen für erlittenes Unrecht erhalten.

die materielle Entschädigung der Opfer ist ein Aspekt des Opferschutzes, und zwar ein wichtiger. Denn alle hehren Worte helfen nichts, wenn das Opfer auf seinem Schaden sitzen bleibt und zu seinen körperlichen und psychischen Verletzungen auch noch finanzielle Belastungen hinzukommen. Sie beschreiten bei der Schadenswiedergutmachung einen Weg, der meine volle Unterstützung und Anerkennung findet. Die Vermittlung in gemeinnützige Arbeit gibt den Tätern die Möglichkeit, wenigstens einen Teil des Schadens wieder gut zu machen und trägt so auch zu einer Aussöhnung mit der Gesellschaft bei. Darüber hinaus ist es Ihnen gelungen, den Einsatzstellen für gemeinnützige Arbeit durch die vermittelten Arbeitskräfte wertvolle Unterstützung zu leisten, auf die viele heute gar nicht mehr verzichten könnten.

Ausgleich e. V. arbeitet ehrenamtlich. Dies bedarf einer besonderen Würdigung. Den Begriff Ehrenamt - und das ist erfreulich - hören und verwenden wir oft. Heute ist eine schöne Gelegenheit, ein bisschen genauer hinzuschauen, was eigentlich dahinter steckt. Zunächst einmal - und das wissen Sie selbst am besten - ist das Ehrenamt gar kein Amt im eigentlichen Sinne. Es ist mit konkreten Aufgaben - nicht mit einer Amtsstellung - und es ist mit viel Arbeit und großen Herausforderungen verknüpft. Auf der anderen Seite hat Sie ein Ehrgefühl bei der alltäglichen Bewältigung Ihrer verantwortungsvollen Arbeit vielleicht noch nicht zu häufig beschlichen. Das versuchen wir heute - in bescheidenem Stil nachzuholen.

Man kann nämlich die Tätigkeiten, die im Ehrenamt ausgeführt werden, gar nicht hoch genug veranschlagen. Unsere Gesellschaft wäre ohne dieses freiwillige Engagement nicht nur gefühlsärmer und unpersönlicher; ein wahres soziales Netz knüpft sich aus menschlichem Miteinander und der Übernahme von Verantwortung. Im Herbst 1996 haben die Gründer des Vereins Ausgleich eben dies getan: Sie haben beschlossen, das Problem der nicht ausreichenden Würdigung von Schadensersatzansprüchen der Opfer von Straftaten nicht nur wahrzunehmen und vielleicht zu beklagen, nein, sie haben beschlossen, etwas zu tun.

Gerade in Ihrer Praxis in der Bewährungs- und Jugendgerichtshilfe mag Ihnen in Ihrer täglichen Arbeit mit Straftätern aufgefallen sein, dass hier eine für alle gewinnbringende Verknüpfung mit Opferinteressen möglich ist. Dass Sie mit Ihrem Engagement eine gute Entscheidung getroffen und einen richtigen Weg eingeschlagen haben, zeigt der Erfolg des Vereins, zeigt die große Zahl derer, die Sie unterstützen, zeigt die gute Zusammenarbeit mit den Organen der Strafrechtspflege. So werden durch freiwilliges Engagement Brücken geschlagen.

Brücken, die Menschen miteinander verbinden und so unsere Gemeinschaft stärken. Durch die aktive Einbindung des Täters für eine Schadenswiedergutmachung für das Opfer gelingt ihnen dieser Brückenschlag. Jan Philipp Reemtsma, der, wie Sie sicher erinnern, selbst Opfer einer Entführung wurde, hat einmal eindrucksvoll formuliert "Das zentrale Interesse des Opfers ist es, nicht mehr in erster Linie Opfer zu sein." Zur Opferrolle gehört auch, mit materiellen Schäden konfrontiert zu sein, die durch die Straftat eines anderen verursacht wurden. Mit der von Ihnen an mittlerweile weit über 600 Opfern ausschließlich durch ehrenamtliches Engagement geleisteten Schadenswiedergutmachungszahlungen helfen Sie, finanzielle Belastungen des Opfers, die auch eine große Sorge ausmachen können, aufzufangen.

Bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement braucht öffentliche Aufmerksamkeit und Wertschätzung! In Niedersachsen entschließen sich heute fast 40% der Bürgerinnen und Bürger für ein Ehrenamt. Darauf können wir alle stolz sein. Sie sind dabei und ich danke Ihnen für Ihr beeindruckendes 10-jähriges Engagement. Mein Dank gilt an dieser Stelle auch allen anderen im Opferschutz und in der Opferhilfe Tätigen! Ich wünsche mir, dass Sie weiterhin so erfolgreich für- und miteinander arbeiten. Denn

"Ohne Euch geht's nicht!"

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und darf nun Herrn Jugendrichter a.D. Schmid bitten, das Wort zur Festrede zu ergreifen.

lg-goe-Ausgleich 10 Jahre_s04
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